Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben noch einmal vor deinem Auge vorbei, sagt man! Niemand konnte es je beweisen, da alle, die diese Erfahrung machten, noch einmal davon erzählen konnten. Nur, wer selbst stirbt, erfährt je, ob es stimmt, oder nicht.
Ich nun liege hier, und ich habe soeben meine Hochzeit mit Drud´ noch einmal erlebt. Alles zieht rasend schnell an mir vorbei, je länger es her ist, desto schneller, aber die Erinnerung wird klarer, die Geschwindigkeit langsamer, und nun erscheint es fast in Echtzeit abzulaufen. Ich kriege es jedoch nur noch schemenhaft mit, der Schmerz in meinem Herzen ist zu stark, ich erkenne nur noch schwach die Gestalten, wie sie sich über mich beugen. Sie sprechen, aber ich kann sie nicht verstehen. Sie schauen mich an, aber ich kann sie nicht erkennen. Einer hebt die Hand, er hält eine riesige Axt...
"Aaaaaaaaaaaaaah...", schreiend erwachte ich. Drut´schaute mich an. Ihr Anblick war wunderschön, wie immer.
"Hattest du wieder einen Albtraum?"
Irgendwie beruhigte mich ihre Stimme. "Ja," brachte ich unter Keuchen noch heraus. "Aber ich kann mich wieder nicht erinnern!"
"Mach dir keine Gedanken, es war nur ein Traum. Lass uns aufstehen, schlafen hat ja doch keinen Sinn mehr!"
"Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe, Schatz! Diese Träume... ich glaube, sie sind eine Art Vision, eine böse Vorahnung. Irgendetwas passiert, ich spüre es!"
"Du und dein Aberglaube! Los, raus jetzt aus den Federn, du hast genug geschlafen!"
Sie hatte Recht. Es war nur ein Traum, alles reine Einbildung. Ich hatte diese Träume schon seit meiner Kindheit gelegentlich, ich war daran gewöhnt, auch wenn ich wirklich zugeben musste, dass sie in letzter Zeit häufiger auftraten.
Als ich so aus meinen Grübeleien erwachte, bemerkte ich, dass Drut nicht mehr da war. Aber aus der Küche roch es nach Notrationen. Ich hasste diesen Fraß. Sie waren gelegentlich nicht schlecht, wenn man nix anderes hatte. Seit aber der Großteil der Vegetationssysteme in Fxii ausgefallen waren, und die guten Dinge, wie Gemüse, Fleisch, und Säfte nur noch den Reichen zustand, mussten wir dieses Zeug jeden Tag essen. Und es gab nur 3 verschiedene Typen, und zu trinken bekam man nur Wasser. Gut, optional hatten wir noch die Algen, die an den Wänden wuchsen. Ja, es hielt einem am Leben, aber was für ein Leben.
"Sanh, was ist denn? Wo bleibst du?" Ihre Stimme riss mich erneut aus meinen Gedanken. Sie klang ein wenig erbost. Seit sie schwanger war, regte sie sich oft zu schnell auf, besonders jetzt, da das Kind bald unterwegs war. "Sanh-Nu´grí, brauchst du eine schriftliche Einladung, oder kommst du von selbst?" Ohja, sie war geladen!
Als ich in die Küche kam, standen dort zwei Rationen, und eine Kanne Wasser. Welch tolle Abwechslung zu den letzten Tagen. Nun gut, irgendwie musste man ja überleben. Die Techniker sagten ja, die Vegetationssysteme liefen bald wieder. Gut, das behaupteten sie nun schon 1 Jahr lang, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Ich setzte mich an den Tisch, gab Trud einen Kuss, und machte mich über das Festmahl her.
"Hast du dir schon einen Namen für das Kind überlegt, Sanh?"
Wieder riss sie mich aus den Gedanken. Ich war an diesem Tage wirklich nicht ich selbst. "Ich sagte doch schon: Kacy!"
"Nein, du weißt genau, es wird ein Mädchen, und Kacy ist ein Jungennamen! Was hälst du von Soyi´?"
Jeden Morgen dieselbe Diskussion, es war zum Haare raufen, aber davon hatte ich sowieso keine mehr, daher ließ ich es dabei, und ignorierte sie einfach, wie es am besten war, wenn sie wieder einmal ihren Ticker hatte. Sie konnte gar nicht wissen, was es wurde, die medizinischen System waren ja auch ausgefallen.
"Schatz, du musst alleine weiter essen, ich gehe zu meiner Gymnastik!" sprach sie, wobei sie mich wieder aus den Gedanken riss und im nächsten Augenblick war sie verschwunden. Sah für mich wie ein ganz normaler Tag alleine zuhause aus. Langweilig, wie immer, seit die Audio/Visuellen Unterhaltungssysteme ausgefallen waren, von denen die Techniker schon seit 2 Jahren sagen, dass sie es bald im Griff haben.
"Hey, Sanh, bist du da?" Tosrhs Stimme weckte mich auf. Ich war irgendwie am Küchentisch eingeschlafen, und Drut hatte wieder mal vergessen, die Tür zu schließen.
"Leugnen hat nun wohl keinen Zweck mehr, oder? Hab ich noch eine Chance zur Flucht?" Tosrh war kein schlechter Kerl, aber die größte Tratschtante in ganz Fxii, und leider unverbesserlicher Verschwörungstheoretiker, und mein bester Kumpel und Nachbar. "Na, nun komm schon rein, was weißt du denn diesmal neues?"
"Sanh, die Lage ist ernst!"
"Oh mein Gott, echt?"
"Lass das, und hör mir zu, ich meine es ernst, wir sind alle in Gefahr! Du erinnerst dich an den Vorfall mit den A/V-Systemen? Und die Sache mit den Vegetationsystemen? Und die Klimasysteme, die vor 3 Monaten ausgefallen sind?"
"Nein, ich hatte schon fast vergessen, dass ich seit 2 Jahren keinen Film mehr gesehen habe, dass ich seit einem Jahr nur noch Notrationen fressen muss, und dass ich seit 3 Monaten mit Holz heizen muss, in einer offenen Feuerstelle in meiner Wohnung, und mittlerweile einen Teil der Einrichtung verbrennen musste!"
"Ja... wie auch immer. Die Techniker können sich das nicht erklären, wie das alles vorkommen konnte."
"Die Techniker haben von gar nichts eine Ahnung. Diese Technologien haben wir seit Jahrhunderten hier in Fxii, und niemand weiß, wie man sie bedient, wie man sie wartet, geschweige denn, repariert!" Warum auch? Solange alles funktionierte, mussten wir dass alles nicht wissen. Und als eines nach dem anderen ausfiel, war es zu spät. Die letzten Daten über das alles sind vor 10 Jahren bei einem Brand zerstört worden, und niemand hatte sich die Mühe gemacht, davon Kopien zu machen, oder sich einzulesen. Und die selbst ernannten "Techniker hatten auch von nichts eine Ahnung.
"Ja, aber sie haben in den letzten Jahren einiges gelernt. Nicht genung, um das alles zu reparieren, aber genug, um einiges vorauszusagen. Es werden noch mehr Dinge ausfallen!"
"Was denn? Die Toiletten?"
"Sanh, du machst dich über mich lustig... es sind nicht die Toiletten, sondern..."
Ein Ohren betäubender Knall unterbrach ihn in seiner Ansprache. Meine Stubenlampe flackerte, wurde dunkler, wieder hell... dann war Stille, und wir saßen im Dunklen...